Schweizer Universitäten sind in internationalen Ranglisten immer wieder unter den Top 100 zu finden. So auch im kürzlich durchgeführten Shanghai-Ranking. Die Uni Genf war auf dem 53. Rang platziert, Zürich auf dem 54. Haben solche Bewertungen Einfluss auf die Schweiz? Ist es für Kanzleien und Gerichte bei der Besetzung von Stellen von Bedeutung, bei welcher Universität ein Bewerber seinen Abschluss gemacht hat?
Roberto Fornito, Partner bei Bratschi, Wiederkehr & Buob, bejaht diese Frage für seine Kanzlei: «Wir achten darauf, an welcher Universität Bewerber für eine Substitutenstelle ihr Studium abgeschlossen haben.» Es gebe jedoch weder Ausschlusskriterien noch eine fixe Rangliste. «Je nach Universität gewichten wir die Noten unterschiedlich.»
Noten aus Zürich und St. Gallen sind mehr wert
Die Note «cum laude» der Uni Luzern ist nach der Erfahrung von Fornito «als deutlich weniger gut einzuschätzen als die gleiche Note etwa der Uni St. Gallen». Auch werde ein guter Abschluss in Zürich höher gewichtet als ein gleich guter Abschluss in Basel. Fornito macht aber auch klar: «Die Noten sind nicht das einzige Selektionskriterium.»
Werner Jahnel, Rechtsanwalt bei Lalive, differenziert: «Wir gewichten die Persönlichkeit und das Gesamtpaket des Bewerbers höher und achten nicht primär auf die Wahl der Universität.» Man sei sich aber bewusst, dass es an bestimmten Unis wie Zürich auf Bachelorstufe schwieriger sei, gleich gute Noten zu erwerben wie an anderen Lehrstätten. Auffallend sei zudem, dass Absolventen aus St. Gallen oft ein besseres Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge hätten als Abgänger anderer Universitäten.
Die Zürcher Advokatur Kanonengasse ist auf Ausländerrecht spezialisiert. Laut Rechtsanwalt Bernhard Jüsi wirkt sich ein Abschluss an einer bestimmten Universität von vornherein «weder negativ noch besonders positiv aus».
Bern und Luzern sind stark im Ausländerrecht
Allerdings gibt es laut Jüsi Universitäten, die für eines der Hauptrechtsgebiete der Kanzlei – Migrations- und Asylrecht – eine bessere Ausbildung anbieten, so etwa Luzern oder Bern eher als Zürich. Sehr gute Noten aus Zürich seien auf dem Stellenmarkt wohl «etwas mehr wert».
Die Kanzlei Walder Wyss bevorzugt keine Kandidaten bestimmter Universitäten, so Partner Florian Gunz Niedermann. Je nach Uni würden jedoch aufgrund der «beträchtlichen Unterschiede» andere Anforderungen zum Notendurchschnitt gestellt.
Sechs andere Kanzleien erklären, für sie spiele es keine Rolle, wo jemand studiert habe. Lenz & Staehelin strebt laut Partner Hans-Jakob Diem einen gesunden Mix von Substituten aus verschiedenen Universitäten an. Für Rechtsanwalt Stephan Bernard von der Zürcher Advokatur Aussersihl «ist das Interesse der Bewerber entscheidend – und ob sie menschlich und von der Haltung her ins Team passen».
Fünf angefragte erstinstanzliche Gerichte in mehreren Kantonen verneinen, dass bei Auditorenstellen die Universität relevant ist. «Bei der Vergabe von Stellen ist auf fachlicher Ebene vor allem die Fächerauswahl und die Leistung in den für uns relevanten Fächern – etwa im Prozessrecht sowie im Zivil- und Strafrecht – entscheidend», erklärt Sabina Motta vom Bezirksgericht Zürich. Laut Tania Sanchez vom Regionalgericht Bern-Mittelland ist massgebend, dass die Kandidaten das bernische Anwaltspatent anstreben.