Vor acht Jahren wurde Franz Riklin an der Universität Freiburg emeritiert. Der ehemalige Professor für Straf­recht und Strafprozessrecht ist aber noch immer an der Arbeit – etwa als Publizist in seinen Rechts­gebieten, als Rechtskonsulent für die Zürcher Kanzlei von Vera Delnon und Bernhard Rüdy oder als Präsident der Fachgruppe Reform im ­Strafwesen. Sie greift an Tagungen Probleme des Strafwesens und der Kriminalpolitik auf und setzt sich für rational vertretbare, liberale und humane Lösungen ein. Spätestens mit 80 Jahren möchte er seine wissenschaftliche Tätigkeit abschliessen. Fit halte er sich mit Sport, sagt der 74-Jährige: «Seit ich mich vor sieben Jahren einer Bypass-Operation unterziehen musste, mache ich täglich anderthalb Stunden Nordic Walking.» 

Die fragwürdige Entwicklung des Schweizer Kriminaljustizsystems lässt ihm keine Ruhe. Die im Parlament kurz vor ihrem Abschluss stehende Reform der ­Sanktionen, die vermehrt kurze, aber auch längere Freiheitsstrafen vorsieht, wird laut dem Experten zu  grösserer Rechtsungleichheit und vor allem höheren Kosten führen, die innere Sicherheit aber kaum verbessern. Die im internationalen Vergleich atypische Expansion des Strafbefehlsverfahrens frustriert ihn. Sie führe zu einer Marginalisierung der Gerichte, die nur noch in zwei Prozent aller anklagetauglichen ­Verfahren zum Zuge kämen, sagt Riklin.

Riklins Karriere verlief atypisch für einen Straf­rechtler. Mit 29 Jahren erwarb er das Anwaltspatent und schrieb bei Zivilrechtler Peter Jäggi eine Dissertation. Er entschied sich zu einer urheberrechtlichen ­Habilitationsschrift. Dann aber suchte die Universität ­Freiburg einen Strafrechtsprofessor. Er übernahm die Stelle 1977. Stünde er erneut am Anfang seiner ­Karriere, so würde er keine akademische Laufbahn mehr einschlagen, resümiert er heute: «Ich würde eine Richterkarriere wählen.»