Die Emeritierung nach über zwanzig Jahren an der Universität Bern scheint sich auf das Arbeitspenum von Thomas Cottier nicht ausgewirkt zu ­haben. Er wischt die «Pensionierung ab 65» lakonisch mit ­einem Satz weg: «Das ist ein altväterliches Überbleibsel aus einer früheren Zeit.» Cottier war von 1994 bis 2015 Ordinarius für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht.

Der heute 69-Jährige hält weiterhin regelmässig Vorlesungen in Kanada, China, Deutschland und Italien. Er doziert auch am «World Trade Institute» an der Universität Bern, das er 1999 mitgründete. Erst kürzlich gab er in Grossbritannien eine Enzyklopädie über International Economic Law heraus.

Politisch setzt sich Cottier als Präsident der Vereinigung «Schweiz in Europa» für das Rahmenabkommen mit der EU ein. Zudem betreut er die «Anthology of Swiss Legal Culture» mit. Diese Internetpublikation will «die enge Verschränkung der Schweizer Rechtsentwicklung mit Europa und der Welt aufzeigen». 

Thomas Cottier ist kein gewöhnlicher Akademiker: Einerseits dozierte er Europa- und Internationales Wirtschaftsvölkerrecht an mehreren Universitäten weltweit und leitete zwölf Jahre den nationalen Forschungsschwerpunkt International Trade Regulation. Andererseits führte er als Schweizer Unterhändler ­internationale Wirtschaftsverhandlungen im Gatt, der heutigen WTO, und mit der EU für den EWR-Vertrag. Als stellvertretender Direktor des Bundesamts für geistiges Eigentum entwarf er damals das Binnenmarktgesetz. Weiterhin ist er als Schiedsrichter in WTO-Streitbeilegungsverfahren tätig, jüngst in einem Fall von China gegen die EU, in dem grundlegende Fragen des Staatshandels streitig sind. 

Im Rückblick konstatiert der 69-Jährige: «Das Bergsteigen und Cellospielen kamen viel zu kurz.» Als Vater von drei erwachsenen Kindern hat er sich ­künftig vorgenommen, vermehrt Zeit mit seinen fünf ­Enkelkindern zu verbringen. «Das stellt sich als schwieriger heraus als gedacht», sagt er lachend.