Staats- und Verwaltungsrecht
-Ein Mann, der bei einer von ihm provozierten Schlägerei am Kopf schwer verletzt worden ist, hat seinen Anspruch auf eine Opferhilfe-Genugtuung gemäss Art. 12 Abs. 2 OHG nicht gänzlich verloren. Der genaue Reduktionsgrad muss noch geprüft werden. Sein Verhalten – er hatte verbal provoziert und mit einem Gewehr herumgefuchtelt – sei nicht geeignet, den Kausalverlauf zum erhaltenen Schlag zu unterbrechen.
(1A.74/2001 vom 20. Dezember 2001)
-Für die Inanspruchnahme von Hilfen gemäss Art. 3 OHG genügt die Schweizer Staatsbürgerschaft des Opfers im Zeitpunkt der im Ausland erlittenen Straftat. Um Missbräuche zu verhindern, muss das Opfer bei der Beanspruchung seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz haben.
(1A.128/2001 vom 18. Januar 2002)
-Die Kantone dürfen von Wirten auch nach Abschaffung der Bedürfnisklausel eine Patentgebühr erheben. Die Sondersteuer für das Gastgewerbe ist sachlich gerechtfertigt und weder willkürlich noch rechtsungleich. Nach Abschaffung der Bedürfnisklausel im Kanton Solothurn bedarf die weiterhin verlangte Patentgebühr auch keiner verfassungsmässigen Grundlage für die Einführung einer neuen Steuer.
(2P.130/2001 vom 30. Januar 2002)
-Der Kanton Zürich darf für die Zulassung zum selbständigen nichtärztlichen Psychotherapeuten den Abschluss eines Psychologiestudiums verlangen (Art. 22 Gesundheitsgesetz ZH). Das Bestehen auf dem Studium ist verhältnismässig und deshalb mit der Wirtschaftsfreiheit vereinbar.
(2P.303/2000 vom 2. November 2001)
-Die Einspracheberechtigung gegen Mobilfunkantennen richtet sich nach einer Formel, die den Radius eines Kreises um die Anlage definiert. Alle Bewohner innerhalb des Kreises sind legitimiert. Die vom Kanton Bern übernommene Methode ist grosszügig und erübrigt komplexe Berechnungen zur Strahlungsbelastung im Einzelfall.
(1A.142/2001 vom 25. Februar 2002)
Zivilrecht
-Das volljährige Adoptivkind hat einen unbedingten verfassungsmässigen Anspruch auf Kenntnis seiner leiblichen Eltern. Eine Abwägung mit entgegenstehenden Interessen der biologischen Eltern findet nicht statt.
(1P.460/2001 vom 4. März 2002)
-Ein «inoffizieller» Garagist für Wagen von Audi und VW darf auf dem Dach seiner Werkstatt ein Schild mit der Aufschrift «VW/Audi-Spezialist» montieren. Er hat weder eine Verwechslungsgefahr mit den Marken der klagenden deutschen Autohersteller geschaffen, noch (im Speziellen mit «Spezialist») im Sinne des UWG über die wirklichen Vertragsverhältnisse zu diesen getäuscht.
(4C.142/2001 vom 30. Januar 2002)
-Pflegeeltern können das Obhutsrecht über das anvertraute Kind nicht beanspruchen.
(5P.238/2001 vom 2. November 2001)
-Das Eheschliessungsverbot zwischen Stiefvater und -tochter gemäss Art. 95 ZGB ist mit Art. 12 EMRK vereinbar.
(5A.15/2001 vom 6. Dezember 2002)
-Bei einem Studenten, der bereits einen Beruf hat, dürfen die elterlichen Studienbeiträge bei der Ermittlung des Unterhaltsbeitrags für seine Tochter miteinbezogen werden (Art. 285 Abs. 1 ZGB). Andernfalls könnte er nämlich verpflichtet werden, das Studium zugunsten einer Erwerbstätigkeit abzubrechen.
(5C. 299/2001 vom 7. Februar 2002)
-Die für den nachehelichen Unterhalt geltenden Kriterien hinsichtlich der Wiederaufnahme oder Ausdehnung der Erwerbstätigkeit eines Partners sind während der vierjährigen Trennungsfrist (Art. 114 ZGB) mit einzubeziehen, wenn mit einer Wiederaufnahme des gemeinsamen Haushalts nicht mehr ernsthaft zu rechnen ist. Eine 41-jährige Hausfrau, die keine Kinderbetreuungspflichten hat, muss ihre Erwerbstätigkeit deshalb auf mehr als 50 Prozent ausdehnen.
(5P.347/2001 vom 14. Dezember 2001)
-Geschäftsführende Aktionäre dürfen bei Beschlüssen über die Entlastung des Verwaltungsrates auch nicht andere Aktionäre vertreten (OR 695 Abs. 1 OR).
(4C.324/2001 vom 7. Februar 2002)
Strafrecht
-Die Genfer SVP kann sich nicht gegen die Einstellung eines Strafverfahrens beschweren, das sie mit ihrer Anzeige wegen einer vermeintlichen Verletzung des BetMG gegen die Tribune de Genève (Artikel über die Lake Parade) ausgelöst hat. Sie ist weder Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG, noch ergibt sich die Legitimation aus Art. 270 Bst. f BStP.
(6S.625/2001 vom 4. Dezember 2001)
-Die fotografische Kopie bereits bestehender harter pornografischer Bilder zum Eigengebrauch ist als Herstellung von Pornografie im Sinne von Art. 197 Ziff. 3 strafbar.
(6S. 558/2001 vom 20. Dezember 2001)
-Die Täuschung richterlichen Vertrauens soll als Grund für den Widerruf einer bedingten Strafe im Hinblick auf die Revision des AT StGB – Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB wird ersatzlos gestrichen – noch zurückhaltender angewendet werden als bisher. Die bedingte Strafe eines Berners für Urkundenfälschung und weitere Delikte darf deshalb trotz 22 SVG-Übertretungen nicht widerrufen werden.
(6S.317/2001 vom 22. Januar 2002)
-Innerhalb eines Jahres können nicht zwei SVG-Verwarnungen ausgesprochen werden. Beim zweiten Mal ist der Ausweis zu entziehen (aussergewöhnliche Umstände ausgeschlossen), auch wenn es sich um einen leichten Fall im Sinne von Art. 16 Abs. 2 zweiter Satz SVG handelt.
(6A.75/2001 vom 13. November 2001)
-Sind Kinder im Haus, müssen Luftgewehr und Munition getrennt aufbewahrt und mindestens eines von beidem eingeschlossen werden. Weil sie dies nicht getan haben, durften die Eltern für den von ihrem elfjährigen Sohn in ihrer Abwesenheit verursachten Unfall wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung verurteilt werden.
(6S.81/2001 vom 29. November 2001)
-Eine Vermögensdisposition im Sinne des Betrugstatbestandes (146 StGB) hat eine Frau getätigt, die im Glauben an die behauptete Finanzkraft ihres vermeintlichen und hartnäckigen Verehrers in seinem Auftrag für ihn Waren bestellt und diese schliesslich selber bezahlt hat. Das Gleiche gilt für das für ihn auf ihren Namen eröffnete Mobiltelefon-Abonnement.
(6S.380/2001 vom 13. November 2001)
-Kein Rückfall im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c SVG liegt vor, wenn zunächst der Mofaausweis entzogen wurde (Töffli frisiert) und später der inzwischen erworbene Führerausweis für Motorfahrzeuge.
(6A.86/2001 vom 25. Februar 2002)
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
-Das Einkommen des Konkubinatspartners muss bei der Berechnung des Existenzminimums seines betriebenen Partners unberücksichtigt bleiben. Das Betreibungsamt hatte das gemeinsame Existenzminimum des Paares berechnet und das Ergebnis dann unzulässigerweise wie bei einem Ehepaar proportional zu ihren Einkommen aufgeteilt.
(7B.1/2002 vom 20. Februar 2002)
Versicherungsrecht
-Kassenpflichtiger Zahnersatz hat sich auch bei jungen Menschen primär an der Wirtschaftlichkeit und nicht an ästhetischen Kriterien oder dem Tragkomfort zu orientieren. Eine 26-jährige Frau muss sich deshalb mit Prothesen anstatt rund viermal teureren Implantaten begnügen.
(K7/01 vom 25. Januar 2002)
-Ausländer, die zu einer Gefängnis- oder Zuchthausstrafe oder Landesverweis verurteilt wurden, behalten den Anspruch auf Rückvergütung ihrer AHV-Beiträge. Die anders lautende Richtlinie des BSV ist gesetzeswidrig.
(H307/01 vom 15. Februar 2002)