Von den kürzlich gefällten Urteilen hat das Bundesgericht unter anderem folgende Entscheide zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung (BGE) vorgesehen:
Staats- und Verwaltungsrecht
Das Bundesgericht bestätigt die strenge Aufsichtspraxis des Bakom beim TV-Sponsoring. Der Sponsorenhinweis in TV-Sendungen darf nur den Namen des Sponsors und allenfalls eine Angabe zu seiner Tätigkeit enthalten. Der Zusatz «auto emoción» bei einem Sponsorenauftritt des Autoherstellers Seat in einer Sendung von Sat.1 (Schweiz) geht unabhängig von einem markenrechtlichen Schutz des Slogans zu weit. Die Werbebeschränkung ist kein unzulässiger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit.
(2C_713/2007 vom 20. Mai 2008)
Ein Rechtsanwalt darf im Rahmen eines Haftungsstreits nach einem Verkehrsunfall sowohl den Fahrzeughalter als auch seinen Versicherer vertreten (keine unzulässige Doppelvertretung gemäss Art. 12 lit. c BGFA), zumindest soweit keine sich widersprechenden Interessen erkennbar sind.
(2C_699/2007 vom 30. April 2008)
Ein Physiotherapeut ist zu Recht mit einer Disziplinarbusse belegt worden, weil er die rektale Positionierung des Steissbeins einer 13-Jährigen trotz deren Forderung nach einem Abbruch der schmerzhaften Behandlung weitergeführt hat. Ihr kund getaner Wille wäre für ihn bindend gewesen (Art. 16 ZGB), auch wenn die anwesende Mutter die Fortführung des Eingriffs gut geheissen hat.
(2C_5/2008 vom 2. April 2008)
Nach einem Ultimatum ist ein St. Galler Mittelschüler zu Recht von der Schule ausgeschlossen worden, obwohl die weiteren Verfehlungen nicht gravierend waren. Die Verhältnismässigkeit der Massnahme kann im Rahmen einer Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bei der Anwendung kantonalen Rechts ausserhalb des Schutzbereichs spezieller Grundrechte nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots (Art. 9 BV) angerufen werden.
(2C_704/2007 vom 1. April 2008)
Ein Zürcher Oberrichter muss als befangen gelten, nachdem er als Referent von sich aus einen Anwalt kontaktiert und ihm mitgeteilt hat, dass er nach Studium der Verfahrensakten wohl die Ablehnung seiner Berufung beantragen werde. Die am Obergericht offenbar gängige Praxis verstösst gegen den Anspruch auf einen fairen Prozess (Art. 30 Abs. 1 BV). Entscheidend ist, dass die Initiative vom Richter ausgegangen ist, was den Eindruck erweckt, dass der Prozess bereits verloren ist. Die betroffene Partei kann mit Grund befürchten, dass der Referent seine Haltung bei der Verhandlung nicht mehr unvoreingenommen überprüfen wird.
(1B_242/2007 vom 28. April 2008)
Entscheide des Präsidenten des Bundesstrafgerichts über die Verweigerung der vorläufigen Freilassung können doch beim Bundesgericht angefochten werden. Korrektur der erst kürzlich im Entscheid 1B_23/2008 begründeten Rechtsprechung.
(1B_95/2008 vom 14. Mai 2008)
Weitere Entscheide zu Lärmentschädigungen für Liegenschaftsbesitzer beim Flughafen Kloten:
- Ein Anspruch auf Entschädigung besteht auch für direkte Überflüge des Grundstücks bei Südlandungen auf Piste 34.
- Entschädigungsberechtigt sind grundsätzlich auch Besitzer von Mietliegenschaften. Den eingetretenen Wertverlust müssen sie nicht konkret belegen. Der fluglärmbedingte Schaden ist schematisch zu ermitteln.
- Bei Liegenschaften, die gleichzeitig zu gewerblichen Zwecken und zum Wohnen genutzt werden, muss die Frageeines schweren und damit entschädigungspflichtigen Schadens aufgrund der Ertragseinbussen beider Nutzungsarten beurteilt werden, wobei gewerbliche Tätigkeiten in der Regel als lärmunempfindlich gelten. Ist es dem Eigentümer möglich und zumutbar, den Wohnteil künftig gewerblich zu nutzen, trifft ihn eine entsprechende Schadenminderungspflicht.
(1E.9/2007, 1E.12/2007 und 1E.20/2007 vom 28. April 2007, 1E.17/2007 vom 5. Mai 2008)
Zivilrecht
Ansprüche aus Vertrauenshaftung verjähren nach der einjährigen Frist von Art. 60 OR. Bestätigung der Rechtsprechung im Hinblick auf in der Lehre geäusserten Kritik.
(4A_499/2007 vom 13. Mai 2008)
In Bezug auf den zeitlichen Kündigungsschutz von Art. 336c OR ist die Frist ausgehend vom Ende des Arbeitsverhältnisses zu berechnen und nicht vom Zeitpunkt der Kündigung. Klarstellung der bundesgerichtlichen Praxis in Bezug auf den missverständlichen Entscheid 131 III 467.
(4A_47/2008 vom 29. April 2008)
Die Anpassung der Kinderalimente eines geschiedenen Vaters von 500 auf 200 Franken monatlich (Art. 286 ZGB) ist gut geheissen worden, nachdem sich sein Einkommen drastisch reduziert hat (90 Franken über dem Existenzminimum) und das Salär seiner Ex-Gattin deutlich gestiegen ist. Die Ex-Gattin trifft es im Verhältnis weniger hart, wenn sie an Stelle des Mannes für die 600 Franken aufkommen muss.
(5A_434/2007 vom 20. April 2008)
Strafrecht
Die Zürcher Justiz muss die Einstellung eines Verfahrens wegen fahrlässiger Tötung neu prüfen. Eine Frau war 2002 im Rahmen einer Krebsbehandlung an den Folgen der Chemotherapie gestorben. In der Fachwelt war bereits 1994 bekannt gewesen, dass bei der Kombination eines Wirkstoffes im fraglichen Medikament mit einem bestimmten Lösungsmittel giftige Stoffe entstehen können. Deshalb ist die Strafbarkeit des Herstellers des Medikaments, des zuständigen Apothekers und der Zulassungsbehörden näher zu untersuchen.
(6B_646/2007 vom 24. April 2008)
Das generelle Genfer Bettelverbot ist unter dem Blickwinkel der persönlichen Freiheit und der Wirtschaftsfreiheit (Art. 10 und Art. 27 BV) zulässig. Für die Einschränkung der Grundrechte besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse. Passanten und Geschäftsleute können sich durch Bettler bedrängt fühlen, was zu aggressiven Reaktionen führen kann. Namentlich Kinder werden als Bettler im Rahmen organisierter Banden missbraucht. Blosse Beschränkungen des Bettelverbots auf gewisse Zeiten oder Gebiete verlagern das Problem nur. Das Existenzminimum ist angesichts des sozialen Netzes gewährleistet.
(6C_1/2008 vom 9. Mai 2008)
Ein australischer Drogengrosshändler erhält Zugriff auf eine halbe Million Dollar, die er 1987 auf einem Schweizer Bankkonto deponiert hatte. Er war 1996 in Australien wegen einem riesigen Haschisch-Schmuggel zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden. 2006 ordnete die Bundesanwaltschaft die Einziehung des Geldes an. Laut Bundesgericht kann nicht geschlossen werden, dass das Geld auf dem Konto aus dem Deal von 1993 stammt. Zudem fehlt der Schweiz die Kompetenz, ihn wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation (Art. 260ter StGB) zu verfolgen, da nicht erstellt ist, dass er entsprechende Handlungen in der Schweiz begangen hat.
(6B_722/2007 vom 9. Mai 2008)
Widerruf der bedingten Strafe und Bildung einer Gesamtstrafe: Erwägungen zu dieser Problematik und der Anwendung von Art. 46 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 49 StGB.
(6B_538/2007 vom 2. Juni 2008)
Drei damalige Kadermitglieder der Gewerkschaft Unia (unter anderem Vasco Pedrina) haben sich mit der Blockade des Baregg-Tunnels anlässlich des nationalen Streiktages der Bauarbeiter am 4. November 2002 der Nötigung (Art. 181 StGB) schuldig gemacht.
(6B_498/2007, 6B_499/2007, 6B_500/2007, 6B_501/2007 vom 3. April 2008)
Sozialversicherungen
Der Befund auf Basis einer funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (neue Form der Kernspin-Tomografie) ist mangels eines wissenschaftlichen Konsens kein taugliches Beweismittel für die Beurteilung der Unfallkausalität von Beschwerden nach Schleudertraumata (Art. 6 Abs. 1 UVG).
(8C_152/2007 vom 26. Mai 2008)
Mieterträge aus Liegenschaften im Geschäftsvermögen unterliegen als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit der AHV-Beitragspflicht.
(9C_538/2007 vom 28. April 2008)
Der vom kantonalen Gericht bestellte Gutachter kann gegen eine Kürzung seiner Honorarforderung im Hauptentscheid öffentlich-rechtliche Beschwerde ans Bundesgericht erheben.
(9C_84/2008 vom 8. Mai 2008)